Montag, 8. November 2010

Neue Jahreshöchststände




Die Anfang September begonnene Rallye ist auch nach über neun Wochen Dauer weiterhin intakt. Das eingeschlagene Tempo kann sich jedoch ohne kurze Atempausen nicht fortsetzen, da der Markt technisch betrachtet überkauft ist. Dies gilt nicht nur für den Aktienmarkt sondern auch für Edelmetalle.

Der Goldpreis stieg auf eine neue Rekordhöhe und schloss knapp unter der $1.400 Marke. Auch das Silber setzte seinen Höhenflug fort und weist seit Jahrenbeginn einen Anstieg von fast 60% (grüner Pfeil) auf. Die technische Hürde von $24 wurde vor wenigen Tagen problemlos genommen. Auch wenn es bis zum Rekordhoch von $50 vor 30 Jahren (siehe Blog vom 18. September 2010) keine weitere technische Widerstandslinie gibt, wird dieses Niveau frühestens in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts getestet werden.

Der Ölpreis testet erneut seine diesjährige obere Bandbreite. Ein nachhaltiger Ausbruch wäre fundamental nicht gerechtfertigt, sondern würde primär auf Emotionen beruhen. Selbst die OPEC erachtet einen Ölpreis von über $85 pro Barrel für unrealistisch.

Seit Anfang Oktober versucht der Euro die $1,40 Marke zu überwinden. Ab $1.45 sind Euro-Positionen wieder in $ einzutauschen, da dann der Abstand zur Kaufkraftparität mit 15% zu hoch ist.

Die Zwischenwahlen brachten wenig Überraschungen sondern bestätigten die Befürchtung, dass Präsident Obama in der zweiten Hälfte seiner ersten Amtszeit ohne die Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus regieren muss. Der Verlust von 64 Sitzen war höher als erwartet und gleichzeitig das schlechteste Abschneiden bei Zwischenwahlen in 62 Jahren. Im Senat schrumpfte die deutliche Mehrheit der Demokraten von 59 Sitzen auf 53 zusammen. Präsident Obama muss jetzt vom linken Flügel einen politischen Weg zur Mitte finden, ähnlich wie es Clinton 1994 nach dem Sieg der Republikaner bei den Zwischenwahlen gemacht hat. Dies erfordert Pragmatismus anstatt Ideologie. Nur so kann Obama seine Chancen auf eine Wiederwahl in zwei Jahren wahren.

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Die Arbeitsmarktdaten waren im Oktober mit 151.000 neuen Arbeitsplätzen (grüner Pfeil) besser als allgemein erwartet; gleichzeitig wurden die beiden Vormonate um 110.000 Arbeitsplätze angehoben. Dies unterstreicht erneut, wie unzuverlässig Statistiken anfänglich mitunter sind. Wenn die bereinigten Zahlen einen Monat später veröffentlicht werden, reagieren Marktteilnehmer kaum noch darauf, auch wenn sich das ursprüngliche Bild vollkommen veränderte.

Mit Beginn der Rezession Ende 2008 kam es zu Verlusten von Arbeitsplätzen. Wie die rosa Schattierung zeigt, dauerte die Entlassungswelle volle zwei Jahre und eskalierte bis zum ersten Quartal 2009 auf rund 750.000 Arbeitsplätze monatlich. Selbst nach dem Ende der schwersten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg (schwarzer Pfeil)
nahm die Zahl der Entlassungen seit Mitte 2009 nur allmählich ab. Die staatliche Bevölkerungsumfrage führte im Frühjahr 2010 zu einem sprunghaften Anstieg am Arbeitsmarkt (blauer Pfeil). Die tatsächliche Nachfrage an Arbeitsplätzen stieg jedoch nur temporär und führte sehr schnell wieder zu Entlassungen (gelber Pfeil). Der Jahrestrend lässt allerdings eine graduelle Verbesserung am Arbeitsmarkt erkennen. Kurz nach Ende der Rezession war die Zahl der Arbeitsplätze gegenüber dem Vorjahr um 5% gefallen (roter Pfeil); inzwischen ist die Bilanz leicht positiv (grüner Pfeil). Diese erfreuliche Entwicklung kam für Präsident Obama allerdings bei den Zwischenwahlen zu spät.





Die Arbeitslosenrate lag kurz vor der Rezession Ende 2007 nur geringfügig über 4,5% und eskalierte innerhalb von knapp zwei Jahren auf 10% (roter Pfeil), ohne einen klaren Verbesserungstrend bisher erkennen zu lassen. Geduld ist hier notwendig. Es bedarf allein 150.000 neue Arbeitsplätze jeden Monat, um die derzeitige Arbeitslosenrate von 9,6% nicht weiter steigen zu lassen.





Die Produktivität der amerikanischen Industrie hat sich in diesem Jahrzehnt fast ständig verbessert. Nur einmal kam es im vierten Quartal 2008, dem Beginn der schwersten Rezession seit dem zweiten Weltkrieg, zu einem geringfügigen Rückgang
gegenüber dem Vorjahr (roter Pfeil). Die Lohnstückkosten haben sich seit zwei Jahren deutlich abgeschwächt und lagen Ende 2009 rund 3% unter dem Vorjahresniveau (rechter grüner Pfeil). Ähnlich war es Anfang 2002 (linker grüner Pfeil). Auch heute liegen die Lohnstückkosten noch unter ihrem Vorjahresniveau. Steigende Produktivität und moderate Lohnstückkosten erklären die deutlichen Gewinnverbesserungen amerikanischer Unternehmen und auch die niedrige Inflationsrate.





Silber ist kaum zu bremsen. Ein neues 30-Jahreshoch gab es zu Wochenbeginn. Seit Ende August ist der Silberpreis um 50% gestiegen. In den vergangenen 10 Jahren folgte nach einem überdurchschnittlichen Anstieg bisher immer ein deutlicher Rückgang von mindestens 30% bis 50% innerhalb relativ kurzer Zeit (blaue Markierungen). Ich rate zur Vorsicht, da Emotionen und nicht fundamentale Fakten diese jüngste Preisentwicklung treiben. Existierende Positionen sind abzusichern.


Mein Interview mit Andreas Scholz vom DAF kann im Blog vom 4. November gesehen werden. Weitere Einschätzungen und spezifische Empfehlungen auf der Hotline. Der nächste Blog erscheint in einer Woche am Montag, den 15. November.



Heiko Thieme